Einfache Hormonblockade

Auch als Androgen-Deprivations-Therapie ADT1 bezeichnet.
Eingesetzt wird die einfache Hormonblockade, wenn keine Totaloperation oder eine Bestrahlung geplant ist (z.B. zu hoher PSA und/oder Agressivitätsgrad oder aus Altersgründen). Zur Anwendung gelangt in der Regel ein LH-RH-Analogon (die Monats- oder 3-Monatsspritze) zur Senkung des Testosteron-Spiegels auf das Kastrationsniveau (sollte spätestens nach 3 Monaten erreicht sein). Dauert die Erreichung dieses Zieles länger, kann es sein, dass das gespritzte Medikament (Zoladex ?) nicht richtig wirkt. In diesem Falle kann die Behandlung mit “Eligard” fortgesetzt werden. Das ist ein anderer Wirkstoff in der doppelten Menge wie z.B. auch bei “Enantone /-Trenatone”. In diesem Zusammenhang ist anzuraten einmal den “LH-Wert” bestimmen zu lassen. Dieser muss kleiner als 1,0 ng/ml sein. Generell sehr wichtig ist die Bestimmung des eigenen Testosteronspiegels unmittelbar vor Beginn einer Hormonbehandlung und dann alle 8 Wochen. Der Urologe kann sonst nicht mit Sicherheit feststellen ob die Hormonbehandlung wirkt. Die Reduzierung des PSA reicht nicht aus.
Sollte der PSA und der Krebs unter der Hormonblockade nicht kleiner werden, wäre das Medikament “Casodex” zusätzlich mit 150 mg angebracht. Aber da verweigern sich die meisten Ärzte. Der PSA muss aber unbedingt runter bis auf einen Wert von o,o5 ng/ml.
Bei der Einnahme von “Casodex” ist aber zu beachten, dass der Krebs das Medikament in seinen Wirkungen aber umdrehen kann: vom Blockierer zum Ernährer. In diesen Fällen steigt der PSA unter der Hormonblockade. Dann “Casodex” sofort absetzen und ggf. das Andrenate Testosteron (aus der Nebennierenrinde) zusätzlich senken. Hierzu “Ketocortison” oder “Orimeten” einehmen, aber jeweils unbedingt mit Hydrocortison, da sonst die Nieren kaputt gehen. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang bereits auf ein weiteres Medikament zu verweisen. Es handelt sich um “Proscar” (siehe auch weiter unten). “Proscar” hat mehrere Antikrebswirkungen:

  • hemmt die DHT-Umwandlung von T in DHT,
  • hemmt den Krebswachstumfaktor IGF-1 und
  • hemmt VEGF, dem Botenstoff, der die Blutbahnen anregt zum Krebs hin zu wachsen und diesen noch besser mit Blut zu versorgen. Diesen Vorgang nennt man “angiogenese”.

“Proscar” hat daher eine antiangiogere Wirkung.
“Proscar” senkt aber auch das PSA um 50% in der Prostata, nicht aber in den Metastasen. Diese PSA-Senkung ist daher nur zahlenmäßig interessant. Hat deshalb keine klinische Bedeutung.
Die Spritze erreicht, dass in der Hirnanhangdrüse der Befehl an die Hoden gegeben wird, kein Testosteron mehr zu bilden. Der Erfolg tritt nach kurzer Zeit ein.
Wirkungsweise der Spritze: Die Wirkung beginnt nach 2-3 Tagen. Der Körper erlebt einen vorübergehenden ( für etwa 5 Tage ) Anstieg des Testosteronspiegels, wodurch der Krebs einen Wachstumsschub erhält. Um dieses Aufflammen des Krebses (Flare-up) zu verhindern, wird – beginnend eine Woche vorher- ein Antiandrogen gespritzt. Wichtig ist dabei, das diese Behandlung mindestens zwei Wochen dauert, weil erst dann die Flare-up-Phase vorüber ist. Besser wäre, die Behandlung solange durchzuführen, bis der Testosteronspiegel das angestrebte Kastrationsniveau erreicht hat.
Diese Phase dauert 3 – 6 Monate!

Beachtet der Urologe die Flare-up-Phase nicht, – es kommt immer wieder zu diesen Fehlbehandlungen – explodiert der Krebs erst recht!
Also ist größte Aufmerksamkeit erforderlich.
Das Testosteron wird zu ca. 90 % in den Hoden und zu ca.10 % in den Nebennierenrinden produziert. Der Befehl an die Hoden wird vom Gehirn gegeben. Durch die Antihormon-Spritze oder den LHRH-Agonisten wird der Befehl unterdrückt und die Hoden produzieren nahezu kein Testosteron. Das gleiche kann man natürlich auch durch das Entfernen der Hoden erreichen, allerdings ohne Not sollte der Betroffene dieser Lösung nicht zustimmen, denn u.U. wird die Testosteronproduktion der Hoden später noch gebraucht.

Charles Huggins erkannte in den frühen Vierzigern des 20. Jahrhunderts den Zusammenhang zwischen Prostatakrebswachstum und dem männlichen Sexualhormon Testosteron; wofür er auch 1966 des Nobelpreis erhielt. 40 Jahre lang war die Hodenentfernung oder Orchietektomie oder Kastration die einzige hormonelle Einwirkungsmöglichkeit beim metastatisierenden Prostatakrebs. Mit ihr ist es möglich 90% der Produktion von Testosteron zu verhindern. Die restlichen 10% werden durch Testosteron-Vorstufen in den Nebennieren erzeugt.
Ab ca. 1985 kann die Testosteron-Produktion in den Hoden medikamentös mit den sog. LHRH-Agonisten (Zoladex, Enantone, Decapeptyl usw.) in Spritzenform verhindert werden.
Seit ca. 15 Jahren sind deshalb die LHRH-Agonisten die Therapie der ersten Wahl und die Hodenentfernung wird nur noch in wenigen absoluten Ausnahmefällen durchgeführt.
Es gilt daher allgemein die Aussage, dass die unbegründete Hodenentfernung in der heutigen Zeit eine grobe Körperverletzung darstellt.

Nachteile der Hodenentfernung:
Unumkehrbarer operativer Eingriff mit Nebenwirkungen, Dauertherapie. Da das Testosteron auf viele Körperorgane, wie Muskeln, Blutzusammensetzung und Gedächnisleistung Einfluss hat, ist der Dauerzustand ohne Testosteron eine nicht zu vernachlässigende Nebenwirkung.
Eine Hodenentfernung bewirkt außerdem einen stärkeren Knochenabbau als der Einsatz von LHRH-Angonisten. Im Vergleich führen die LHRH-Angonisten zu einer Erhaltung der Mineralistion des Knochens und zu einem geringen Verlust an Knochenosteoid. Bei einer Hodenentfernung reagiert der Körper auf den Testosteronmangel mit einer vermehrten Ausschüttung von Botenstoffen (LH und FSH) aus der Hypophyse und das bewirkt über einige Stufen eine Unterdrückung der für die Knochenneubildung verantwortlichen Zellen (Osteoblasten). Diese hormonellen Veränderungen finden bei einer Therapie mit LHRH-Agonisten oder mit Östrogenen nicht statt. Bei diesen Therapien ist die LH- und FSH-Produktion erniedrigt und es unterbleibt eine Stimulation der Hypophyse.
Starke psychische Belastung durch die operative Dauerkastration. Sie führt zu dauernder Impotenz. Die Hodenentfernung ist eine unwiderrufliche Entmannung. Die medikamentöse Kastration mit LHRH-Agonisten muss man nur absetzen und die Hoden werden wieder größer und beginnen mit der Produktion von Testosteron. Um Hodenschäden bei einer medikamentösen Kastration zu vermeiden, sollte nach 2 Jahren eine Pause eingelegt werden; nach ca. 5 Jahren sind die Hoden meistens nicht wieder aufweckbar. Durch die operative Kastration sind künftige neue Therapiemöglichkeiten nicht mehr anwendbar.

Vorteile der Hodenentfernung:
Preiswerter medizinischer Eingriff, verlässliche Dauerwirkung. Sofortwirkung, die manchmal bei schweren, schmerzhaften metastasiertem Prostatakrebs erforderlich ist.
Ausbleiben des Flare-Up-Phänomens im Vergleich mit medikamentöser Kastration.
Keine Belastung der Leber und der Niere durch chemische Abbauprodukte. Der Einsatz der “Chemischen Keule” zur Bekämpfung ist sinnvoller als die totale Entfernung der Hoden. Ein solcher operativer Eingriff wirkt sich immer nachteilig auf die Psyche des Betroffenen aus. Wenn nicht zwingend erforderlich, sollte der Betroffene dem Urologen/Operateur keine Einwilligung für einen derartigen Eingriff geben.
Leider wirken die Antihormon-Spritzen nicht ewig. Sie können zwar die Testosteronproduktion für immer ausschalten. Allerdings entwickeln sich dabei die Prostatakrebszellen von hormonabhängigen zu hormonunempfindlichen Krebszellen. Die Antihormon-Spritzen sind dann bei einem hormonunempfindlichen Prostatakrebs wirkungslos!
Bevor auf Grund dieser Entwicklung die Therapieform gewechselt wird, ist zu prüfen, ob der Tumor tatsächlich hormonrefraktär ist. Hierzu wird das Testosteron im Blut untersucht. Anteil dann kleiner als 50ng/ml. Eine mögliche Therapieform wäre die Sekundäre Hormontherapie (mit den Medikamenten Flutamid + Casodex 150 mg.

Die Antihormon-Spritze hält den Prostatakrebs in der Regel 6 bis 10 Jahre in Schach. Allerdings ist diese Aussage sehr differenziert zu betrachten. Es gibt Betroffene, da wirkt die Spritze bereits nach einem Jahr nicht mehr. Bei anderen hält die Wirkung viele Jahre an. Aus diesen Gründen ist es auch nicht sinnvoll eine Hormontherapie bei “jüngeren” Betroffenen anzuwenden, wenn die Diagnosewerte z.B. eine “heilende” Totaloperation zulassen.
Die Antihormon-Therapie wird angewendet, wenn die Prostata aus medizinischen oder Altersgründen nicht entfernt oder bestrahlt werden kann oder der Betroffene sich für die Dreifache Hormonblockade (siehe weiter unten) entscheidet. Sind allerdings trotz einer totalen Entfernung der Prostata Mini- oder Mikrometastasen im Körper, ist die Antihormontherapie zur Zeit die einzige wirkungsvolle Waffe! Es wird aber auch bei der Brachy- und/oder Strahlen-Therapie die Antihormonbehandlung ergänzend eingesetzt. Welche Anwendung den größten Nutzen erzielt ist z. Zt. nicht sicher.
Mit welchen Nebenwirkungen muss der Betroffenen rechnen?

  • Hitzewallungen und Schweißausbrüche
  • Osteoporose
  • Erhöhung der Leberwerte (es ist eine sehr strenge Kontrolle notwendig)
  • Durchfall
  • Brustwachstum
  • Eingeschränktes körperliches und geistiges Leistungsvermögen
  • Verlust der sexuellen Aktivität (Verlust der Potenz)

Wichtig ist: Die Hitzewallungen und die Schweißausbrüche lassen sich mit zusätzlichen Medikamenten in den Griff bekommen. Der Ausbildung einer Osteoporose kann durch die Einnahme von Medikamenten vorgebeugt werden.
Das Brustwachstum kann durch eine einmalige Bestrahlung verhindert oder eingeschränkt werden. Diesen Schritt sollte man sich aber gut überlegen. Es kann zu merkbaren Nebenwirkungen kommen. Viele Betroffene ertragen deshalb das Brustwachstum ohne Gegenmittel. Auf alle Fälle vor einer Behandlung ein aufklärendes Gespräch mit dem Strahlentherapeuten führen! Besonders bei einer Hormontherapie muss unbedingt darauf geachtet werden, dass der Urologe immer wieder den PSA, das Testosteron, NSE und CGA überprüft.

Wie sieht es mit den Kosten aus?
Die anfallenden Kosten werden von der Gesetzlichen Krankenkasse bezahlt Wie lange dauert eine solche Hormonblockade?
Die Behandlung soll solange wie es nur möglich ist (also lebenslang) durchgeführt werden,

  • d.h. bis sie keine Wirkung mehr zeigt bzw.
  • bis zu einem evtl. Fortschreiten (wachsen) des Krebses.

Dieses ist dann der Fall, wenn sich die hormonunempfindlichen Zellen im Tumor vermehren und der Tumor auf die Hormonbehandlung nicht mehr anspricht. In der Regel steigt der PSA-Wert in dieser Phase merkbar an.

Die Folgen:
Es muss ein Therapiewechsel eingeleitet werden. Diese kann eine Strahlen- oder eine Chemotherapie sein. Manchmal hilft auch eine zeitlich begrenzte Unterbrechung der Hormonblockade (intermittierende Hormontherapie).
Entwicklung: Die einfache Hormonblockade verliert immer mehr an Bedeutung und wird abgelöst durch die zweifache Hormonblockade.