Pressemitteilung – 26.02.2019
Heidelberg (ko) –
Was Krebs so gefährlich macht, ist die Eigenschaft der Tumorzellen, sich
im Körper auszubreiten und Tochtergeschwülste zu bilden, sogenannte
Metastasen. Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, wie sich solche
Krebsabsiedelungen möglicherweise verhindern lassen: Der Schlüssel liegt
in bestimmten Signalmolekülen der Blutgefäße. Werden diese gehemmt,
könnte das Fortschreiten der Krankheit gestoppt und damit die Aussicht
auf Heilung deutlich verbessert werden. Die Deutsche Krebshilfe fördert
das Forschungsprojekt mit rund 251.000 Euro.
Damit ein
Tumor wachsen kann, benötigt er neue Blutgefäße, die ihn mit ausreichend
Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Diese Blutgefäße spielen eine
Schlüsselrolle bei der Ausbreitung der Krebszellen im Körper: Sie
ermöglichen es den Zellen, in den Blutkreislauf zu gelangen und sich in
entfernten Organen anzusiedeln. Dabei müssen die Tumorzellen gleich
mehrere Herausforderungen meistern: in das Blutgefäß eindringen, den
Transport im Blut überleben und schließlich das Gefäß wieder verlassen.
Dafür nutzen sie ähnliche Mechanismen wie Immunzellen auf der Jagd nach
Krankheitserregern.
Tumore programmieren Gefäßwandzellen um
Wissenschaftler
um Professor Dr. Andreas Fischer vom Deutschen Krebsforschungszentrum
in Heidelberg haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese Mechanismen zu
entschlüsseln. Und sie sind bereits fündig geworden: „In bisherigen
Versuchen konnten wir zeigen, dass Tumorzellen immer dann verstärkt in
die Blutbahn übertreten, wenn bestimmte Signalmoleküle in
Blutgefäßzellen aktiviert werden“, erläutert Projektleiter Professor
Fischer. Solche Signalmoleküle steuern die Kommunikation der
Blutgefäßzellen mit den Tumorzellen und werden als sogenannte
„Notch-Signalkaskade“ bezeichnet.
In aktuellen Forschungsarbeiten
haben Professor Fischer und sein Team herausgefunden, wie es
Krebszellen gelingt, auf Wanderschaft zu gehen: Zunächst sorgen sie in
den Gefäßwandzellen dafür, dass wichtige Signalmoleküle überaktiviert
werden, um sich die Passage zu erleichtern. Dafür programmieren sie die
Gefäßwandzellen um. Ist das Signalmolekül Notch1 aktiviert, so hat dies
weitreichende Folgen: Die Gefäßwandzellen bilden verstärkt ein Molekül
mit dem wissenschaftlichen Namen VCAM1, das es den Krebszellen
ermöglicht, sich an die Gefäßwand zu heften. Darüber hinaus wird die
Gefäßwand durchlässiger für den Übertritt der Tumorzellen in die
Blutbahn. Und schließlich produzieren die Gefäßwandzellen Botenstoffe,
die Immunzellen in den Tumor locken und mit ihren Botenstoffen das
Krebsgeschehen sogar noch verstärken können – eine fatale
Reaktionskette.
Neue Therapie mit Antikörpern?
Je
stärker das Signalmolekül Notch1 in den Gefäßwänden des Tumors aktiviert
wird, desto mehr Krebszellen gelangen ins Blut und desto mehr
Metastasen können entstehen. Doch neue Erkenntnisse des Heidelberger
Forscherteams lassen hoffen: Werden das Signalmolekül Notch 1 und das
Anheftungsmolekül VCAM1 im Labor mit sogenannten therapeutischen
Antikörpern blockiert, siedeln sich deutlich weniger Krebszellen in
anderen Organen an. „In weiteren Studien wollen wir die Wirkung dieser
Antikörper genauer untersuchen, damit möglichst bald auch Patienten von
diesem neuen Ansatz profitieren können“, so Professor Fischer.
„Insbesondere
bei fortgeschrittenen Krankheitsverläufen steht die Krebsmedizin immer
noch vor großen Herausforderungen. Für die Entwicklung neuer
Therapieansätze ist es daher unabdingbar, die Entstehungsmechanismen von
Krebserkrankungen zu verstehen“, betont Gerd Nettekoven,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe. „Deshalb ist es ein
Kernanliegen der Deutschen Krebshilfe, solche innovativen
Forschungsprojekte zu fördern.“
Hintergrundinformation: Antikörper-Therapie
Die
Behandlung mit Antikörpern ist eine bestimmte Form der Immuntherapie.
Das Wirkprinzip: Die künstlich hergestellten Eiweißmoleküle können
Krebszellen anhand ihrer individuellen Oberflächenmerkmale erkennen und
heften sich an sie. Angelockte Immunzellen sollen dann die markierten
Krebszellen zerstören. Doch therapeutische Antikörper haben noch eine
weitere Funktion: Sie können auch die Bindungsstelle für andere
Botenstoffe blockieren und so das Tumorwachstum stoppen oder die
Kommunikation der Krebszellen stören – dadurch entstehen weniger
Metastasen.
Projektnr.: 70110638