Behandlungskonzepte für das metastasierte hormonsensitive Prostatakarzinom

C. Thomas, Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitätsklinikum Dresden, C. Ohlmann, Abteilung für Urologie, Johanniter Krankenhaus, Johanniter Kliniken Bonn

Über 7 Jahrzehnte war die alleinige Androgendeprivation (ADT) der Goldstandard für die Therapie des metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinoms (mHSPC). Die Kombinationstherapien können als neuer Standard in der Therapie des mHSPC gesehen werden. Hierdurch ist eine deutliche Verbesserung des Gesamtüberlebens (OS) möglich. Zur Kombination mit der klassischen ADT stehen aktuell 3 Substanzen zur Verfügung: Das Taxan Docetaxel, der CYP17-Inhibitor Abirateron und das Zweitgenerations-Antiandrogen Apalutamid. Für den klinischen Alltag gilt es zu klären, inwieweit sich diese Kombinationstherapien in der Anwendung unterscheiden und welche Patientengruppe insbesondere von der jeweiligen Kombinationstherapie profitiert. Faktoren sind hierbei das Metastasierungsmuster, der Allgemeinzustand sowie das Alter. Liegt eine viszerale Metastasierung vor, so besteht gute Evidenz für den Einsatz von Docetaxel oder Abirateron. Apalutamid bietet das breiteste Einsatzspektrum. Letztlich ist die Empfehlung zur Kombinationstherapie immer eine individuelle Entscheidung, die mit dem Patienten unter Abwägung von Nutzen und Risiko besprochen werden muss.

Frühe Versuche der Kombinationstherapie

Das Thema der kombinierten und damit intensivierten ADT beim Prostatakarzinom ist nicht neu. Schon in den 1980er Jahren kamen die ersten Versuche auf, durch Kombination von LHRH (Luteinisierendes Hormon, syn. Gonadotropin-Releasing-Hormon, GnRH)-Analoga mit Erstgenerations-Antiandrogenen die Effektivität der Tumortherapie zu steigern (1). Bereits Labrie konnte im Jahr 1985 zeigen, dass durch Kombination von ADT und Flutamid nach 2 Jahren noch 81% der Patienten ein Ansprechen zeigten und noch 91% am Leben waren (2). In der Casodex Combination Study wurden 813 mHSPC-Patienten 1:1 prospektiv randomisiert zu Bicalutamid 50 mg/tgl. + LHRH-Analogon oder ­Flutamid 750 mg/tgl. + LHRH-Analogon (3). Nach einem medianen Follow-up von 49 Wochen zeichnete sich ein signifikant verbessertes progressionsfreies Überleben (PFS) in der Bicalutamid-Gruppe ab. Darüber hinaus waren auch weniger Nebenwirkungen im Vergleich zum Flutamid-Arm zu verzeichnen. Allerdings war das OS hiervon unbeeinträchtigt (4).

Fasst man bisherige Metaanalysen zusammen, die eine Kombination von ADT + Erstgenerations-Antiandrogen untersucht haben, so zeigt sich ein Überlebensvorteil von etwa 3-5% nach 5 Jahren und von 1-2% nach 10 Jahren (5-7).

Schlussendlich ist festzustellen, dass durch die Kombinationstherapie von Erstgenerations-Antiandrogenen + LHRH-Therapie gegenüber einer alleinigen LHRH-Therapie kein ausgeprägter Überlebensvorteil erzielt werden kann.

Tumorbiologische Grundlage für die moderne kombinierte Systemtherapie

Durch Blockade der Androgenrezeptor-Achse mittels LHRH-Substanzen wird die Testosteronproduktion in den Testikeln heruntergefahren. Entsprechend steht weniger im Blut zirkulierendes Testosteron zur Verfügung. Neuere Erkenntnisse zeigen jedoch, dass in weit fortgeschrittenen Stadien des Prostata­karzinoms bzw. bei sehr aggressiven Tumor­varianten die Möglichkeit besteht, dass eine Synthese von Testosteron in den Tumorzellen selbst stattfindet (9). Durch diese De-novo-Synthese sind die Prostata­karzinomzellen teilweise unabhängig von im Blut zirkulierendem Testosteron und können so trotz eines Serumtestosterons im Kastrationsbereich weiterwachsen. Dies legt den Einsatz von Substanzen, die auch die De-novo-Synthese von Testosteron in der Tumorzelle selbst reduzieren, nahe.

Eine weitere Erklärung für die frühe Therapieresistenz bei mHSPC unter ADT ist das anteilige Vorhandensein von primär androgenunabhängigen Prostatakarzinomzellen. Diese entdifferenzierten Zellen, die kaum durch den Testosteron­entzug beeinflusst werden, können zeitnah zur Progression eines entdifferenzierten Prostatakarzinoms führen („klonale Selektion“) (10).

Während die De-novo-Synthese eine entscheidende Rolle für die Kombination mit NHT (Next-Generation-Hormontherapie) wie CYP17-Inhibitoren oder Zweitgenerations-Antiandrogenen darstellt, stellt die klonale Selektion die Grundlage für den Einsatz von Taxanen. Darüber hinaus lässt sich der in den Studien CHAARTED und STAMPEDE-C beobachtete synergistische Effekt einer Chemohormontherapie molekularbio­logisch auch durch einen simultanen Effekt auf die Androgenrezeptor-Achse erklären (11).

Kombination von primärer ADT mit Docetaxel

Der Stellenwert der Taxan-basierten Chemohormontherapie wurde bereits in mehreren Studien untersucht. In der GETUG15-Studie konnte kein statistisch signifikanter Überlebensvorteil für die Kombination gezeigt werden (12). Demgegenüber lag in der CHAARTED-Studie der mediane Überlebensvorteil durch die Chemohormontherapie bei 10,4 Monaten (HR=0,72; 95%-KI: 0,59-0,89; p=0,0018) (13, 14). Diese Beobachtung wurde in der STAMPEDE-C-Studie bestätigt. Hier zeigte sich ein Überlebensvorteil von 16,0 Monaten (HR=0,81; 95%-KI: 0,69-0,95; p=0,003) (15).