Bessere Kommunikation für mehr Entscheidungsfreiheit

Auch das Thema Früherkennung ist häufig mit Angst besetzt. Ein Gesundheitsexperte erklärt, wie Ärzte Patienten im Gespräch abholen und warum die offene Diskussion über Risiken so wichtig ist. Von Taina Ebert-Rall

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Aufklärung ohne Zeitdruck – auch das ist bei der Information über Screenings wichtig.
© Jonas Glaubitz / stock.adobe.

BERLIN. Verständliche und gesicherte Informationen, Fairness, Augenhöhe und das Berücksichtigen persönlicher Präferenzen: Das sind mit die wichtigsten Faktoren im Arztgespräch, wenn es darum geht, ob ein Patient medizinische Früherkennungsprogramme nutzt – oder eben nicht.

„Jeder Mensch muss die Freiheit haben, sich auch gegen ein Screening zu entscheiden“, sagt Professor Norbert Schmacke vom Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen.

Er warnt davor, Ratsuchende im Gespräch moralisch unter Druck zu setzen. Keinesfalls dürfe der Eindruck entstehen, dass ihm oder ihr im Falle einer späteren Erkrankung eine Nichtteilnahme kritisch vorgehalten wird.

„Zum Beispiel wenn im Familien- oder Freundinnenkreis eine Frau an Brustkrebs erkrankt ist, wird oft reflexartig nach der Teilnahme an einer Früherkennung gefragt. Es ist ein interessantes Phänomen, dass in unserer Gesellschaft vom Screening bis zur Ernährung so getan wird, als ob wir biologische Faktoren aushebeln könnten.“

Zweifel ernst nehmen

„Gesunde Menschen hoffen, dass ihnen die Teilnahme an einer Früherkennung einen dramatischen Krankheitsverlauf erspart. Vor allem an die Früherkennung von Krebserkrankungen knüpfen Patienten große Hoffnungen“, so der Mitherausgeber des Versorgungs-Reports „Früherkennung“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).

„Aber was ist, wenn jemand auch nach sorgfältiger Aufklärung eine Riesenangst, zum Beispiel vor einer Darmspiegelung hat? Das muss ich als Arzt respektieren und ihn dann eben über die Alternative, die Stuhlprobe informieren.“

Noch immer orientierten sich Menschen am tief verwurzelten Sprichwort „Früh erkannt, Gefahr gebannt“. Auch deshalb seien Patienten in besonderem Maß darauf angewiesen, dass sie von ihrem Arzt umfassend nicht nur über den Nutzen, sondern auch über Risiken aufgeklärt werden und dass der Arzt selbst auch gut informiert ist, erläutert Schmacke.

So sollte zum Beispiel darauf hingewiesen werden, dass eine Krebsfrüherkennung auch dazu führen kann, dass unnötig eingreifend behandelt wird, ohne dass sich die Lebensqualität verbessert und die Lebensdauer verlängert.

Inzwischen ist es laut Schmacke rechtlich, politisch und kulturell bei uns Konsens, dass es bei der Beratung zu Früherkennungsprogrammen nicht mehr ausschließlich um verbesserte Teilnahmeraten geht, sondern um verbesserte Informationen. „Nur gut informierte Menschen können sich selbstständig für oder gegen die Teilnahme an einem Programm entscheiden.“

Allerdings sind nach Schmackes Erfahrung viele Ärzte auf die Debatte mit Patienten noch nicht ausreichend vorbereitet. „Ich habe den Eindruck, dass immer noch unterschätzt wird, wie schwierig es ist, über Nutzen und Risiken von Früherkennungsmaßnahmen zu informieren.“

Deshalb sollten „beide Seiten gestärkt werden, die Ärzte zum Beispiel über Fortbildungen durch die Ärztekammern, die Versicherten über ergebnisoffene Beratung“. Schließlich müssten Ärzte wie auch ihre Patienten eine komplexe Evidenzlage angemessen berücksichtigen können.

Dies gilt nach Überzeugung Schmackes vor allem auch vor dem Hintergrund, dass bei Früherkennungsuntersuchungen kein unmittelbarer Zeitdruck besteht. „Gelassenheit ist hier das Gebot der Stunde.“

Hausärzte erste Ansprechpartner

Die Bedeutung von Hausärzten als Berater ihrer Patienten machen auch die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von mehr als 2000 gesetzlich Versicherten für den Versorgungs-Report deutlich.

Demnach informieren sich 40 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer bei ihrem Hausarzt oder bei ihrer Hausärztin zum Thema Früherkennung. 14 Prozent der Frauen und sieben Prozent der Männer informierten sich bei anderen Ärzten. Rund die Hälfte der Befragten informiert sich im Internet zu diesem Thema.

Evidenzbasierte Entscheidungshilfen können bei der Aufklärung der Betroffenen helfen. Als Beispiel für eine besonders gelungene Patienteninformation nennt der Mediziner Schmacke die Entscheidungshilfe des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) zur Mammographie: „Sie hat das Pro und Contra auf dem Boden vorhandener Studien mit modernen Kommunikationsmethoden aufgearbeitet.“