Hormone sind keine effektiven Anti-Aging-Medikamente

Dr. med. Thomas Kron Medizinische Nachrichten 09.02.2020

Kernbotschaften

Hormone sind kein Jungbrunnen für alte Menschen. Der übertriebene Einsatz von Insulin, Schilddrüsenhormon und Testosteron bei alten Menschen könne sogar mehr schaden als nutzen, warnen Endokrinologen und plädieren für einen verantwortungsvollen Umgang mit Hormon-Therapien. 

Hormon-Mangel Ursache für das Altern?

Der Rückgang der Hormonproduktion wurde in der Vergangenheit nicht nur als Folge, sondern als mitverantwortlich für das Altern angesehen. „Unter dem Schlagwort Endokrinoseneszenz galt es, Hormondefizite normnah auszugleichen“, berichtet Professor Dr. med. Cornelius Bollheimer von der Uniklinik RWTH Aachen. Doch alle Versuche, durch Geschlechtshormone, Wachstumshormone, Melatonin oder Testosteron das Altern aufzuhalten, seien gescheitert. „Hormone sind als Anti-Aging-Methode nicht effektiv“, erklärt der Inhaber eines Lehrstuhls für Altersmedizin in einer Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Anlass ist der 63. Deutsche Kongresses für Endokrinologie (4. bis 6. März 2020) in Gießen. 

Menopause ja, Andropause nein

Die größten Missverständnisse bestehen der Mitteilung zufolge bei der Testosteron-Behandlung von alten Männern. In Analogie zu den Wechseljahren der Frau wurde immer wieder von einer Andropause des Mannes gesprochen und daraus abgeleitet, dass Männer ab einem bestimmten Alter Testosteron substituieren sollten. Bei Männern gebe es jedoch kein abruptes Erlöschen der Hormonproduktion wie bei Frauen, betont Bollheimer. Richtig sei, dass die Testosteron-Produktion mit dem Alter nachlasse. Das geschehe aber nicht abrupt, sondern gleichmäßig und von Mann zu Mann höchst unterschiedlich. Testosteron-Werte weisen eine hohe intra- und interindividuelle Variabilität auf. So könne ein gesunder 30-jähriger Mann einen niedrigeren Testosteron-Wert haben als ein gesunder 80-Jähriger, erklärt die DGE. Darüber hinaus sei noch nicht hinreichend geklärt, ob das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall durch eine zu liberale Testosteron-Gabe erhöht werde, so Bollheimer.

Darüber hinaus sind die Beschwerden, über die ältere Männer mit niedrigen Testosteron-Werten meist klagen, unspezifisch. Zu diesen Symptomen, die mit dem sogenannten Altershypogonadismus assoziiert werden, zählen insbesondere Erektionsstörungen und Libidoverlust, zudem Schlafstörungen, Müdigkeit, Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten. 

Erst Gewichtsreduktion, dann vielleicht Testosteron

Bestehe ein Altershypogonadismus, könne eine Testosteron-Therapie die Symptome zwar verbessern, schreiben die Autoren einer europäischen Leitlinie zum Hypogonadismus des Mannes; aber viele hypogonadale Männer seien krank und/oder übergewichtig, sodass Gewichtsreduktion, Änderung des Lebensstils und die angemessene Behandlung der Komorbiditäten wichtiger seien als die alleinige Testosteron-Therapie. Vor dem Beginn einer Testosteron-Behandlung sollten daher der Lebensstil verbessert, bei Übergewicht das Gewicht reduziert und Begleiterkrankungen behandelt werden. 

Auch US-amerikanische Ärzte sind keine Anhänger einer allzu freizügigen Testosteron-Therapie bei alten Männern und treten für eine verantwortungsvollen Umgang mit dieser Hormon-Behandlung ein, wie aktuelle Empfehlungen des „American College of Physicians“ zeigen, die gerade erschienen sind. So sollte Testosteron nicht gegeben werden, um Energie, Vitalität, körperliche Funktion oder Kognition zu verbessern.

Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie

Deutsche Gesellschaft für Urologie

European Association of Urology