„Inkontinenz nach radikaler Prostatektomie“

Die Operation ist nach wie vor eine der häufigsten Therapieoptionen des Prostatakarzinoms, allerdings geht sie mit einer Inkontinenzrate zwischen 4-50% [1] einher. Es handelt sich um eine unangenehme Nebenwirkung, die sich jedoch häufig behandeln lässt – auch wenn dies nicht immer nur konservativ möglich ist.

Inkontinenz nach Radikale Prostatektomie: Die Gründe

Eine Inkontinenz kann auftreten, wenn die Blase, der Harnschließmuskel oder beide nicht mehr richtig funktionieren, z.B., weil sie während einer Operation geschädigt wurden [1]. Auch die Statik des gesamten Harnschließmuskels / Beckenbodens kann sich durch eine Operation verschieben, so dass ein problemloses Halten des Urins nicht möglich ist, z.B., weil die Harnröhre abknickt oder weil sie gestaucht wird.

Eine besondere Konstellation entsteht, wenn nach einer Operation eine Strahlentherapie notwendig ist. Auch das kann zu einer Harninkontinenz führen, obwohl postoperativ zunächst alles in Ordnung schien. In diesem Fall entsteht die Inkontinenz, z.B. durch Strahlenschäden an der Blase oder eine Verengung der Harnröhre (sog. „Harnröhrenstriktur“) nach Strahlentherapie.

Risikofaktoren für eine postoperative Inkontinenz sind z.B. ausgedehnter Tumorbefund, fortgeschrittenes Alter, Übergewicht, Nebenerkrankungen, eine vor der Operation bereits bestehende Inkontinenz, eine vergrößerte Prostata vor der Operation oder vorangegangene TUR-P-Eingriffe [1].

Inkontinenz nach Radikaler Prostatektomie: Was macht der Arzt?

Der behandelnde Arzt wird zunächst versuchen, das Ausmaß der Inkontinenz zu messen. Hierfür können verschiedene Tests durchgeführt werden, das wichtigste ist jedoch das Gespräch mit dem Betroffenen und eine genaue Anamnese des Ausmaßes. Gerade vor einer operativen Behandlung der Inkontinenz steht die „Urodynamik“-Untersuchung im Vordergrund. Bei dieser Untersuchung wird der Blasendruck mit Sonden ganz genau gemessen. Das kann Aufschluss darüber geben, um welche Form der Inkontinenz es sich handelt und das Ausmaß weiter bestimmen.

Inkontinenz nach Radikaler Prostatektomie: Welche Formen der Behandlungen gibt es? Was kann ich selbst tun, ab wann muss chirurgisch behandelt werden?

In den ersten 6-12 Monaten nach dem Eingriff ist mit einer Verbesserung zu rechnen, in diesem Zeitraum stehen konservative Maßnahmen im Vordergrund. Die erste Option stellt konservatives Beckenbodentraining dar, dies muss jedoch mehrmals am Tag über einige Monate hinweg durchgeführt werden, um effektiv zu sein. Neben dem „traditionellem“ Beckenbodentraining haben zwei Studien [2, 3] auch die positive Wirkung von Pilates als Alternative hierzu aufgezeigt.

Darüber hinaus stellt auch die Biofeedback-Methode eine konservative Therapieoption dar [4]. Biofeedback hat das Ziel, unwillkürliche Muskelbewegungen z.B. durch einen Ton oder ein Bild sichtbar zu machen. Der Hintergrund ist, dass der Harnschließmuskel eigentlich nicht willkürlich angesteuert werden kann. Während klassisches Beckenbodentraining hauptsächlich den Beckenboden trainiert, erlernt man durch Biofeedback direkt den Harnschließmuskel zu kontrollieren.

Sollte sich nach einem Jahr jedoch keine Besserung gezeigt haben, könnte eine operative Therapie notwendig sein. Hier gibt es verschiedene Optionen, von kleineren Eingriffen mit Schlingen und Ballons bis hin zum Einsetzen eines künstlichen Sphincter.

Inkontinenz nach Radikaler Prostatektomie: Was heißt das für mich? Was kann ich tun?

Eine postoperative Inkontinenz entsteht meist durch eine intraoperative Schädigung von Blase oder Schließmuskel, welche z.T. nicht vermeidbar ist aufgrund eines ausgedehnten Tumorbefundes, oder durch eine Verschiebung der Statik im Harnschließmuskel-/ Beckenbodenapparat. Während im ersten Jahr nach der Operation eine Verbesserung von selbst möglich ist, stehen zunächst konservative Therapieoptionen im Vordergrund. Neben traditionellem Beckenbodentraining scheinen auch Beckenbodentraining mit Biofeedback sowie Pilates sinnvoll zu sein. Eine Reduktion des Körpergewichts und Eliminierung schwerer, körperlicher Arbeit als allgemeine Maßnahmen kann darüber hinaus hilfreich sein, da dadurch die Belastung auf den Beckenboden reduziert wird. Aus dem gleichen Grund werden auch stuhlregulierende Maßnahmen empfohlen. Weitere allgemeine Ratschläge, wie „Wenig trinken“ und „Kaffee meiden“ können zwar die Symptome verbessern, jedoch nichts an der Ursache ändern.

Sollte es sich tatsächlich um ein schwereres mechanisches/statisches Problem als Folge der Prostataoperation handelt, ist manchmal tatsächlich eine Operation notwendig. Wichtig ist es, trotz verständlichem Leidensdruck eine Operation nicht überstürzt durchzuführen. Auch hier macht es Sinn, sich eine Zweitmeinung einzuholen und sich an Zentren zu wenden, die diesen Eingriff sehr oft durchführen und daher viel Erfahrung damit haben.

Außerdem: Warum kommt es eigentlich zu einem Brustwachstum bei Hormontherapie?

Eine weitere Frage an uns war, warum eine Brustvergrößerung bei der Hormontherapie stattfindet. Dies ist vor allem bei Androgenrezeptor-Blockern (z.B. Bicalutamid, Flutamid) der Fall. Im Körper existieren einige „Feedback-Schleifen“, die dafür sorgen, dass unsere Hormone im Gleichgewicht sind. Durch die Blockade der Testosteronrezeptoren im Körper kommt es zu einem Überschuss an Östrogen, welches dafür sorgt, dass sich die Brustdrüsen vergrößern. Um dem vorzubeugen, kann die Brust prophylaktisch bestrahlt werden. Die zweite Form der Hormontherapie, LHRH-Analoga, verursacht eher keine Brustvergrößerung. Sie wirkt, indem die Testosteronproduktion gänzlich unterdrückt wird. Gerade am Anfang einer Hormontherapie werden jedoch Androgenrezeptor-Blocker und LHRH-Analoga zeitgleich gegeben, um das sog. „Flare-up“, also eine anfangs verstärkte Testosteronproduktion durch LHRH-Analoga, zu verhindern. Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass die LHRH-Analoga für das Brustwachstum verantwortlich sind.

[1] M. Averbeck et. Al, Neurourology and Urodynamics, 2019: “Surgical treatment of post-prostatectomy stress urinary incontinence in adult men: Report from the 6th International Consultation on Incontinence”

[2] Cíntia S. Gomes et al, Neurourology and Urodynamics, 2018: “The effects of Pilates method on pelvic floor muscle strength in patients with post-prostatectomy urinary incontinence: A randomized clinical trial”

[3] Fabiana Rotondo Pedriali et al, Neurourology and Urodynamics. 2016 “Is Pilates as Effective as Conventional Pelvic Floor Muscle Exercises in the Conservative Treatment of Post-Prostatectomy Urinary Incontinence? A Randomised Controlled Trial”

[4] P. Kannan et al, Physical Therapy, 2018: “Effectiveness of Pelvic Floor Muscle Training Alone and in Combination With Biofeedback, Electrical Stimulation, or Both Compared to Control for Urinary Incontinence in Men Following Prostatectomy: Systematic Review and Meta-Analysis”