Moderater Alkohol-Konsum: große Studie zum gesundheitlichen Nutzen auf Eis gelegt

IST EIN SOLCHES ODER ÄHNLICHES SZENARIO AUCH IN DEUTSCHLAND DENKBAR ????

 

Thomas Kron Medizinische Nachrichten

Kernbotschaften

Die „National Institutes of Health“, eine Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums, hat eine Langzeitstudie zu den gesundheitlichen Effekten moderaten Alkohol-Konsums auf Eis gelegt und Untersuchungen dazu eingeleitet. Der Grund ist der Verdacht, dass Wissenschaftler und auch Mitarbeiter der Behörde die Alkohol-Industrie um finanzielle Unterstützung gebeten und so womöglich gegen rechtliche Bestimmungen verstoßen haben. Fünf Unternehmen, die alkoholische Getränke herstellen, unterstützen angeblich das 100-Millionen-Dollar-Projekt mit rund 67 Millionen US-Dollar. 

Hintergrund

Seit Jahren wird darüber diskutiert, ob sogar mäßiger Alkohol-Konsum gesundheitsschädlich ist und wo genau die untere Grenze schädlichen Konsums liegt. Darüber hinaus  gibt es Hinweise, wonach moderater Rotwein-Konsum ähnlich wie dunkle Schokolade möglicherweise eine Wohltat für Herz und Gefäße sei. Allerdings gibt es auch für Zweifel an der Kardioprotektion durch Rotwein einige wissenschaftliche Befunde. Um weitere solide Erkenntnisse über die gesundheitlichen Effekte moderaten Alkohol-Konsums zu gewinnen, haben die „National Institutes of Health“ in den USA eine internationale Studie ins Leben gerufen, an der rund 8000 mindestens 50-jährige Menschen aus 16 Kliniken in den USA, Europa, Afrika und Südamerika teilnehmen sollen. Geprüft werden soll,  ob moderater Alkohol-Konsum Herzinfarkten, Schlaganfällen und kognitiven Leistungsabbau vorbeugt. Vor knapp einem Jahr berichtete dann allerdings die „New York Times“, dass die aufwendige Studie überwiegend von großen Herstellern alkoholischer Getränke (Anheuser-Busch InBev, Heineken, Diageo, Pernod Ricard und Carlsberg) finanziert werde. Etwa 67 Millionen US-Dollar hätten sie einer Stiftung zugesichert, die Geld für die „National Institutes of Health“ sammelt. Studienleiter ebenso wie die Unternehmen betonten selbstverständlich, dass es keinen Einfluss der Geldgeber auf die Studie, etwa das Design und die Ergebnisse, gebe. Im März dieses Jahres berichtete die US-Zeitung dann, dass Wissenschaftler und Mitglieder der NIH sich 2013 und 2104 mit Vertretern der Alkohol-Industrie getroffen hätten, um über finanzielle Unterstützung der Studie zu reden. Die Wissenschaftler hätten in diesen Gesprächen positive Ergebnisse signalisiert, die NIH-Mitarbeiter auf finanzielle Unterstützung gedrängt. Diese Vorgehensweise hat möglicherweise gegen geltende Bestimmungen verstoßen. Die NIH hat nun vor wenigen Tagen Untersuchungen in die Wege geleitet, deren Ergebnisse im kommenden Monat vorliegen sollen.

Klinische Bedeutung

Seit Jahren wird über positive gesundheitliche Effekte eines mäßigen Alkoholkonsums spekuliert. Es gibt einige Hinweise, die dafür sprechen, aber auch dagegen. So ergab zum Beispiel eine im britischen Ärzteblatt publizierte Studie, dass bereits sehr geringe Mengen des Genuss-Giftes dem Hirn mehr schaden könnten als bisher angenommen. Betroffen sind der Untersuchung zufolge vor allem der Hippocampus und daher das Erinnerungsvermögen. Bereits ein regelmäßiger Konsum von mehr als 100 Gramm Alkohol pro Woche verkürze das Leben erheblich, berichtete kürzlich ein internationales Forscherkonsortium in der Fachzeitschrift „Lancet” .  Und eine 2017 publizierte Studie ergab, dass Alkohol-Abusus ein ebenso relevanter Risikofaktor für Vorhofflimmern, Myokardinfarkte und Herzversagen sei wie andere „etablierte“ und modifizierbare kardiovaskuläre Risikofaktoren, etwa Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Rauchen („Journal of the American College of Cardiology“). Darüber hinaus gilt Alkohol-Konsum als ein Risikofaktor für Krebserkrankungen, wobei es keine sichere untere Grenze geben soll.

Ob nun die vorhandene wissenschaftliche Literatur zum Thema Alkohol-Konsum unbedingt um eine weitere Studie bereichert werden muss, ist eine Frage, über die man streiten kann. Recht großen Konsens dürfte es dazu geben, dass die beteiligten Wissenschaftler keine allzu große Nähe zu Bier- und Schnaps-Produzenten haben sollten und dass es bei der Finanzierung ratsam wäre, andere Wege zu beschreiten als offenbar in diesem Fall.