Niedriges Testosteron – Risikofaktor oder objektiver Risikomarker?

Ein zunehmender Testosteronmangel mit steigendem Alter ist hauptsächlich bei kranken Männern zu objektivieren. Am häufigsten mit einem Testosterondefizit assoziiert sind Adipositas, metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Erektionsprobleme. Alle bieten sich als ideale Portale an, um Gesundheit „an den Mann zu bringen“.

Praktisch geht es in erster Linie darum, die pathophysiologischen Pfade – Überernährung, fehlende Bewegung – zu durchbrechen, erklärte Prof. Michael Zitzmann aus Münster als Moderator des Symposiums „Männergesundheit in der Praxis“. Neben den „großen Zusammenhängen“ vermittelten namhafte Experten vor allem auch Tipps und Tricks für Diagnostik und Therapie des Hypogonadismus.

Im praktischen Alltag kommt es immer wieder vor, dass ein Patient in der Nachmittagssprechstunde über Symptome klagt, die einen Testosteronmangel nahe legen. Prof. Ulrich Wetterauer aus Freiburg veranlasst in diesen Fällen eine Testosteron-Bestimmung. Bestätigt sich der Verdacht laborchemisch nicht, hat er dem Patienten einen zusätzlichen Praxisbesuch zur morgendlichen Blutprobe erspart. Diese ist allerdings nicht zu vermeiden, wenn nachmittags ein erniedrigter oder grenzwertiger Spiegel erhoben wurde. Im diagnostischen Setting bevorzugen die Experten dabei die Nüchtern-Blutprobe, was bei der Therapiekontrolle nicht notwendig ist.

Testosteron bei Vorerkrankungen bestimmen

Prof. Sabine Kliesch aus Münster empfahl entsprechend der Leitlinie der European Association of Urologists (EAU1) eine Testosteron-Bestimmung bei Männern mit Diabetes mellitus oder metabolischem Syndrom sowie bei Erektionsproblemen, die primär auf PDE5-Inhibitoren nicht ausreichend ansprechen. Auch bei Patienten mit Osteoporose oder mittelschwerer COPD sollte der Arzt an einen Testosteronmangel denken. Zudem kann eine milde Anämie ein Symptom des Hypogonadismus sein, erinnerte die Referentin. Ein Testosterondefizit ist überdies bei Einnahme von Steroiden und Opiaten abzuklären. Diese Medikation ist für eine regelhafte Diagnostik meist abzusetzen, sofern möglich.

Korrekte Abnahme der Laborwerte
Nach den aktuellen Empfehlungen der European Association of Urologists (EAU1) sind zwei morgendliche (7 bis 11 Uhr) Serumproben – vorzugsweise nüchtern abgenommen – im Abstand von 30 Tagen mit einem validierten Immunoassay ausreichend zuverlässig, um einen Hypogonadismus zu erfassen. Der untere Schwellenwert bei gesunden eugonadalen Männern liegt bei ≥12,1 nmol/l Gesamt- und ≥243 pmol/l freiem Testosteron. Als grenzwertig gelten 8-12 nmol/l Gesamt-Testosteron; in diesen Fällen ist der SHBGLevel zu bestimmen und das freie Testosteron zu kalkulieren.

Eine Testosterontherapie ist auch bei älteren Männern mit symptomatischem Hypogonadismus lohnend, wenn die Lebensqualität beeinträchtigt ist und zuvor die konservativen Maßnahmen – Gewichtsreduktion, Therapie der Grund- und Begleiterkrankungen – ausgeschöpft wurden. Zitzmann zitierte dazu die Ergebnisse der T-Trials, in denen rund 790 hypogonadale Männer im Alter von etwa 65 Jahren über ein Jahr mit Testosteron-Gel (1 %) oder Placebo behandelt wurden. In der Substudie zur sexuellen Aktivität2 verbesserten sich zehn von zwölf Messgrößen. Bei den körperlichen Funktionen ist der Effekt ebenfalls signifikant: In der Verumgruppe erreichten mehr Männer das primäre Endziel, eine um 50 Meter verlängerte Gehstrecke in sechs Minuten (Abb. 1).
Abb. 1: Unter Testosteron-Gel erreichten mehr Männer eine um 50 m verlängerte Gehstrecke in sechs Minuten als unter Placebo. Quelle: mod. nach [4].

Deutlich verbesserte sich der Vitalitäts-Score (SF 36), die substituierten Männer gaben „mehr Energie“ und eine verbesserte Stimmungslage an. Signifikant waren auch die positiven Auswirkungen auf Anämien unbekannter und bekannter Ätiologie3 sowie auf die Knochendichte4. Hier war die Zunahme an der Wirbelsäule ausgeprägter als an der Hüfte und am deutlichsten im trabekulären Knochen. Im Studienzeitraum zeigte sich kein Unterschied bei kardiovaskulären und prostataassoziierten Ereignissen sowie schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen, so Zitzmann.

Wirksamkeit und Sicherheit optimieren

Sein Kollege Wetterauer betonte in diesem Zusammenhang, die Testosterondosis individuell anzupassen, um Wirkung und Sicherheit zu optimieren. „Jeder Patient reagiert auf eine definierte Testosterondosis anders.“ Bei älteren Männern strebt er ein Gesamt-Testosteron im mittleren bis unteren Bereich an. Dabei favorisiert er ein Gel wegen der höheren Sicherheit: Vor allem kurzwirksame Injektionen sind nach einer Analyse von Krankenkassenakten – zumindest in der Anfangsphase der Therapie – mit einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (Myokardinfarkt, instabile Angina, Schlaganfälle), stationäre Behandlungen und höheren Mortalitätsraten assoziiert5.

Optimiertes Gel im Dosierspender

Ein höher konzentriertes Gel im Dosierspender (Testogel® Dosiergel 16,2 mg/g) als optimierte Variante ermöglicht eine genaue Dosis-Titration. Empfohlen werden ein bis vier Dosierhübe morgens, entsprechend 1,25 bis 5 g Gel (20,25 bzw. 81 mg Testosteron). In der klinischen Hauptstudie6 mit 234 Patienten lag Testosteron bei 82 Prozent der Verumgruppe am Tag 182 im Normbereich (18,7 ± 8,3 nmol/l), in der offenen Erweiterungsphase7 nach einem Jahr bei 79 Prozent. Eine gesonderte Analyse8 ergab einen mittleren Anstieg des PSA-Wertes um 0,1 ng/ml. Die neue Gelform ist damit als sicher und verträglich einzustufen und eignet sich für die effektive Behandlung eines symptomatischen Hypogonadismus. In der Initialbehandlung sind laut Leitlinien kurzwirksame Präparate zu bevorzugen, weil sie ein schnelles Absetzen erlauben, sollten unerwünschte Ereignisse auftreten.

Bei der Applikation werden nur noch Schultern und Oberarme zum Aufbringen empfohlen. Der Bauchbereich ist gestrichen, weil hier 30 Prozent weniger Testosteron resorbiert wird, erklärte Wetterauer (Abb. 2).


Abb. 2: Das höher dosierte Testosteron-Dosiergel solle nicht am Bauchraum aufgetragen werden, weil die Resorption um 30 % schlechter ist. Quelle: Wetterauer

Fallstricke bei der Kontrolle

Bei der Kontrolle kommt es immer wieder vor, dass die Laborwerte keinen adäquaten Testosteronspiegel ergeben. Dies kann zwar durch unterschiedliche Resorptionsmuster bedingt sein – meist jedoch ergibt die Nachfrage, dass der Patient vor dem Arztbesuch bewusst auf die morgendliche Anwendung verzichtet hat. Alle Referenten rieten deshalb dringend dazu, vor der Blutabnahme explizit nachzufragen, ob das Gel am Morgen auch aufgetragen wurde.

Mild-moderate LUTS kein Hinderungsgrund

Milde bis moderate Miktionsbeschwerden (LUTS) aufgrund einer benignen Prostatahyperplasie stellen keine Kontraindikation für einen Testosteronausgleich dar, so der Konsens in der EAU-Leitlinie. Verglichen mit Placebo steigt der International Prostate Symptom Score (IPSS) nicht an, wie eine Metaanalyse von 14 klinischen Studien mit über 2000 Patienten9 und die RHYME-Studie10 gezeigt haben, so Wetterauer.

Sicherheit an der Prostata

Auch die Befürchtung, wonach eine Testosterontherapie das Risiko für ein Prostatakarzinom erhöhen könnte, wird nach Angaben des Urologen durch eine Metaanalyse von 22 Studien11 und schwedische Registerdaten von über 38.000 Prostatakarzinomen12 nicht gestützt. Hier waren niedrige Testosteronwerte vielmehr mit höheren Gleason-Scores und schlechterer Prognose assoziiert. Ähnliche Verbindungen zwischen erniedrigten Hormonwerten, Aggressivität und Prognose wurden vom Anderson Cancer Center in Houston berichtet13.

Optimale Dosis

Der Einfluss einer Testosterontherapie auf kardiovaskuläre Ereignisse ist noch nicht abschließend zu beurteilen. Studien mit erhöhtem Risiko stehen Untersuchungen gegenüber, bei denen dies nicht der Fall war oder sogar ein vermindertes Risiko bei substituiertem Hypogonadismus resultierte14,15.
„Vermutlich gibt es eine Art optimale ‚mittlere‘ Dosis von Testosteron“, spekulierte Wetterauer – zu niedrige und zu hohe Level könnten ungünstige Auswirkungen haben (Abb. 3). Der Urologe plädierte deshalb bei älteren Patienten mit symptomatischem Hypogonadismus dafür, eher Werte anzustreben, die im mittleren bis unteren Bereich eugonadaler junger Männer liegen.


Abb. 3: Sowohl niedrige als auch hohe Testosteronspiegel dürften ungünstig sein. Quelle: Wetterauer

Fazit

Testosteron ist ein Risikomarker für die Gesundheit des Mannes. Der Spiegel erniedrigt sich mit der Zahl von Erkrankungen, wobei Adipositas, metabolische und kardiovaskuläre Erkrankungen führend sind. Ein Testosteronmangel geht einher mit erhöhter Morbidität und Mortalität. Gewichtsreduktion und Modifikation des Lebensstils sind vorrangige Ziele. Unterstützend kann eine Testosterontherapie eingesetzt werden, um die Behandlungsziele leichter zu erreichen. Initial und insbesondere bei älteren Patienten mit symptomatischem Hypogonadismus sollte ein kurzwirksames Präparat eingesetzt werden. Ein höher konzentriertes Dosiergel ermöglicht durch die spezielle Galenik geringere Mengen, kleinere Auftragungsflächen und eine individuell angepasste Dosis.

 

Literatur:

1. Dohle G et al. EAU Guidelines on Male Hypogonadism 2017.
2. Snyder P et al. NEJM 2016;374(7):611.
3. Roy CN et al. JAMA Intern Med 2017. DOI: 0.1001/jamainternmed. 2016.95492017
4. Snyder P et al. JAMA Intern Med Online 2017. DOI: 10.1001/jamainternmed. 2016.9539 2017
5. Layton J et al. JAMA Intern Med 2015. DOI: 10.1001/jamainternmed.2015.1573
6. Kaufman JM et al. J Sex Med 2011; 8:2079–2089.
7. Kaufman JM et al. J Sex Med 2012; 9:1149–1161.
8. Morgentaler A et al. J Sex Med 2014; 11:2818–2825.
9. Kohn TP et al. Eur Urol 2016;69(6):1083.
10. Debruyne F et al. BJU Int 2017;119:216.
11. Cui Y et al. Prostate Cancer Prostatic Dis 2014;17:132.
12. Loeb S et al. J Clin Oncol 2017;35(13):1430.
13. Tu H et al. Oncology Letters 2017;13(3):1949.
14. Cheetham TC et al. JAMA Intern Med 2017. publ. online Feb. 21.
15. Sharma R et al. Eur Heart J 2015;36(40):2706.

 

Quelle: Männergesundheit in der Praxis, Berlin, 23.–24.6.2017, Veranstalter: DR. KADE / BESINS Pharma GmbH, Berlin, Verfasser: Dr. Renate Leinmüller, Wiesbaden

Pflichttext Testogel® Dosiergel 16,2 mg/g Gel

 

Mit freundlicher Unterstützung von DR. KADE / BESINS Pharma GmbH, Berlin