Perineale Prostatabiopsie: Keine höheren Infektionsraten bei Patienten ohne Antibiotikaprophylaxe

Andrea Hertlein  Medizinische Nachrichten  02.08.2022

Kernbotschaften
Auf die Antibiotikaprophylaxe bei der transperinealen Prostatabiopsie kann offenbar verzichtet werden. Das geht aus einer Studie hervor, die jüngst in Lancet Infectious Disease publiziert wurde. Deutsche und norwegische Wissenschaftler konnten zeigen, dass die Infektionsraten nach transperinealer Biopsie ohne Antibiotikaprophylaxe nicht erhöht waren. Dies könne den unnötigen Einsatz von Antibiotika reduzieren und möglicherweise die Entwicklung der Antibiotikaresistenz verringern.

Antibiotikaprophylaxe von EAU empfohlen

In Europa und den USA werden jedes Jahr rund 2 Millionen Prostatabiopsien durchgeführt. Goldstandard ist nach wie vor die transrektale Biopsie, allerdings mit dem Nachteil einer deutlich höheren Infektions- und Sepsisrate verglichen mit der Biopsie durch den Damm (transperineale Biopsie). Für beide Verfahren empfiehlt die Europäische Gesellschaft für Urologie (EAU) die prophylaktische Gabe von Antibiotika. Wissenschaftler um Maciej Jacewicz vom Universitätsklinikum Oslo und Karsten Günzel vom Vivantes Klinikum Am Urban (Berlin) gingen der Frage nach, ob auf eine Antibiotikaprophylaxe verzichtet werden kann, wenn transperineale Prostatabiopsien in Lokalanästhesie ambulant durchgeführt werden.

Dazu führten die Wissenschaftler erstmals eine randomisierte kontrollierte Studie an 792 Patienten durch, bei denen aufgrund eines Prostatakarzinom-Verdachts eine perineale Prostatabiopsie durchgeführt werden sollte. Davon wurden 555 (70 %) nach dem Zufallsprinzip (1:1) einer von zwei Behandlungsgruppen zugeordnet. Entweder sie erhielten eine intramuskuläre oder intravenöse Antibiotikaprophylaxe mit 1-5 g Cefuroxim (277 Patienten) oder aber keine vorherige Antibiotikagabe (276 Patienten). Die Nachuntersuchungen erfolgten 2 Wochen bzw. 2 Monate nach dem Eingriff. Der primäre Endpunkt war der Anteil der Patienten, die eine Sepsis oder Harnwegsinfektion innerhalb von 2 Monaten nach Biopsie entwickelten, welche einen Krankenhausaufenthalt erforderte. Sekundärer Endpunkt war die Rate an Sepsis- und Harwegsinfektionen, die ambulant behandelt werden konnten.

Keine schwere Sepsis oder Harnwegsinfektion bei Auslassen der Antibiotikaprophylaxe

Eine Sepsis oder Harnwegsinfektion, die einen Krankenhausaufenthalt erforderte, trat weder in der Patientengruppe mit Antibiotikaprophylaxe noch in der Patientengruppe ohne Antibiotikaprophylaxe auf, berichten die Wissenschaftler. Harnwegsinfektionen, die ambulant behandelt werden konnten und somit keinen Krankenhausaufenthalt erforderten, wurden dagegen laut der Studienautoren bei einem Patienten festgestellt, der eine Antibiotikaprophylaxe erhielt und bei drei Patienten ohne Antibiotikaprophylaxe. Die Anzahl der Patienten, die mit Antibiotika behandelt werden mussten, um eine Infektion zu vermeiden, betrug 137. Die von den Wissenschaftlern festgesetzte Nichtunterlegenheitsgrenze von 4 Prozent wurde nicht überschritten. Somit scheint das Weglassen von Antibiotika das Risiko einer Sepsis oder Harnwegsinfektion, die einen Krankenhausaufenthalt erfordert, nicht zu erhöhen.

“Unsere Ergebnisse zeigen keine Hinweise auf höhere Raten von Urosepsis oder Harnwegsinfektionen bei der Durchführung von transperinealen Biopsien ohne Antibiotikaprophylaxe”, schreiben die Autoren. Sie schlagen vor, die Antibiotikaprophylaxe bei Patienten ohne Risikofaktoren für eine Infektion wegzulassen. Eine solche Strategie würde laut der Autoren den unnötigen Einsatz von Antibiotika reduzieren und möglicherweise die Entwicklung der Antibiotikaresistenz verringern.

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Maciej Jacewicz, Karsten Günzel, Erik Rud, Gunnar Sandbæk, Ahmed Magheli, Jonas Busch, Stefan Hinz, Eduard Baco: Antibiotic prophylaxis versus no antibiotic prophylaxis in transperineal prostate biopsies (NORAPP): a randomised, open-label, non-inferiority trial, Lancet Infect Dis 2022, Published Online July 12, 2022 https://doi.org/10.1016/ S1473-3099(22)00373-5