PRECISION-Studie: Besteht Handlungsbedarf?

1: Ergebnisse der PRECISION-Studie: Randomisierter Vergleich der beiden Patientengruppen TRUS-Goldstandard (rot) vs. mpMRT-gestützter Diagnostik (grün) mit dem Anteil an signifikanten Tumoren und nicht signifikanten Tumoren bei n=500 Patienten. Grafik: Budäus nach [1]


Die jüngst im „New England Journal of Medicine“ publizierte multizentrische PRECISION-Studie zeigt die diagnostischen Möglichkeiten der modernen Prostatadiagnostik. Hieraus lassen sich weitere, zukünftig im Rahmen der Prostatadiagnostik zunehmend an Bedeutung gewinnende Entwicklungen ableiten.

Für die multizentrische, randomisierte Nichtunterlegenheitsstudie [1] wurden 500 Männer vor der Erstbiopsie der Prostata per Zufall auf die Ultraschall-geführte, zehn- bis zwölffache transrektale Biopsie (den aktuellen Goldstandard) oder eine Diagnostik auf Basis der multiparametrischen Magnetresonanztomographie (mpMRT) verteilt. Im Rahmen des MRT-gesteuerten Vorgehens wurde nur ab einem suspekten MRT-Befund von mindestens 3 nach „Prostate Imaging – Reporting and Data System“ (PI-RADS) eine rein gezielte Biopsie der Läsion (ohne begleitende Standard-Biopsie) durchgeführt. Männer mit unauffälligem MRT-Befund erhielten keine Biopsie. In beiden untersuchten Gruppen wurde die Detektionsrate an klinisch signifikanten Tumoren (definiert als Gleason-Score ≥3+4) und diejenige an nicht signifikanten Tumoren sowie Begleitfaktoren der Biopsie erhoben.
Durch dieses Vorgehen wurde bei der mpMRT-basierten Diagnostik bei 71 von 252 Männern (28 %) aufgrund eines unauffälligen mpMRT-Befundes (nur Läsionen ≤ PI-RADS 2) keine Biopsie durchgeführt.
In der Gruppe der mpMRT-basierten Diagnostik zeigte sich dennoch eine höhere Detektionsrate an signifikanten Tumoren im Gegensatz zu der ultraschallbasierten Diagnostik (38 % vs. 26 %). Gleichzeitig war bei den per mpMRT diagnostizierten Patienten der Anteil an nicht signifikanten Tumor­diagnosen um 13 Prozent niedriger.
Im Rahmen der Studie erfolgte eine engmaschige Qualitätskontrolle unter anderem mit präziser MRT-Erhebung und Dokumentation, Nachbefundung von 25 Prozent der MRTs und 15 Prozent der Pathologiebefunde. Auch durch die große Anzahl an internationalen Studienzentren mit unterschiedlicher Expertise und verschiedensten MRT- (1,5 und 3 T) und Fusionsbiopsie-Geräten wurde eine hohe Allgemeingültigkeit der Ergebnisse erreicht.
Trotz dieser beeindruckenden Ergebnisse bleiben einige relevante Aspekte ungeklärt, die einen großen Einfluss auf die tägliche klinische Umsetzung dieser neuen Möglichkeiten der Prostatadiagnostik haben:
Als relativ neue Diagnostik ist die Durchführung und Vergütung der Prostata-MRT mit begleitender ­mpMRT-gestützter Biopsie noch nicht durch die beteiligten Fachgesellschaften, Gremien, Leistungserbringer und Kostenträger vollständig geklärt.
Neben der aus radiologischer Sicht aktuell unbefriedigenden Erstattungssituation der im Vergleich zu anderen MRT-Untersuchungen aufwendigen Prostata-MRT wird aktuell auch der aus urologischer Sicht höhere Aufwand der MRT-gestützten kognitiven oder apparativen Fusionsbiopsie nicht ausreichend berücksichtigt. Im Rahmen der ausstehenden Neuregelungen sollte dies in gleichem Maße mit berücksichtigt werden, da diese strukturellen Faktoren auch einen Einfluss auf die flächendeckende Verfügbarkeit der neuen Diagnostik haben.
Eine weiterer Aspekt betrifft die interdisziplinäre Qualitätssicherung und weitere Standardisierung der gesamten mpMRT-basierten Prostatadiagnostik, die einen großen Einfluss auf die Reproduzierbarkeit und diagnostische Präzision besitzt. Hierbei erscheinen die präzise Definition der radiologischen MRT-Durchführung und Befundung und auch des gesamten ­mpMRT-gestützten Fusionsbiopsieablaufes und der unterschiedlichen technischen Arten der Biopsiedurchführung sinnvoll. Durch die aktuell noch ausstehenden Neuregelungen ist aus urologischer Sicht ein Blick in andere medizinische Fachgesellschaften wahrscheinlich hilfreich. So existieren insbesondere in der Gynäkologie seit längerem hochgradig standardisierte Vorgehensweisen zur Diagnostik des Mammakarzinoms mit unter anderem radiologischem Double-Reading sowie präzise definierten Biopsieindikationen- und Prozessabläufen, die durchaus auch als Vorbild für die Prostatadiagnostik dienen könnten.
Autor:
PD Dr. med. Lars Budäus
Martini-Klinik Prostatakarzinomzentrum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
E-Mail: budaeus@uke.de
Literatur:
1. Kasivisvanathan V, Rannikko AS, Borghi M et al. MRI-Targeted or Standard Biopsy for Prostate-Cancer Diagnosis. N Engl J Med 2018;378(19):1767-1777