PSMA-Protein Krebs: Whistleblower in der Prostata

Prostatazellen zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf ihrer Oberfläche das so genannte Prostata-spezifische Membran-Antigen (PSMA) tragen. Noch deutlich häufiger ist das Protein allerdings auf Prostata-Krebszellen.

Diesen Umstand können sich Nuklearmediziner nun zunutze machen, um Krebsherde zu entdecken. „Das PSMA-Molekül bietet eine ideale Erkennungsstruktur, um die Ausdehnung eines Prostatakarzinoms und mögliche Metastasen zu erfassen“, sagt Prof. Frank Grünwald vom Bundesverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN). Während die Mediziner das diagnostische Potenzial des neuen Markers auch in Bezug auf andere Krebserkrankungen wie das Nierenzellkarzinom weiter ausloten, zeichnet sich bereits eine neue Anwendung ab: Wie erste Daten nahelegen, eignet sich PSMA auch als Zielmolekül für eine Therapie des Prostatakrebses.

Seit dem vergangenen Jahr können Nuklearmediziner und Onkologen das Wissen um die Verteilung von PSMA im Körper auch bei der Arbeit am Patienten nutzen. So ist es Forschern des Krebsforschungszentrums Heidelberg gelungen, einen gut verträglichen Wirkstoff zu entwickeln, der sich – ähnlich wie ein Antikörper – an PSMA-Moleküle anheftet. „Damit bieten sich völlig neue Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie“, sagt Grünwald, der die Klinik für Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt am Main leitet.

„Wird die Substanz mit dem schwach radioaktiv strahlenden Marker Gallium 68 gekoppelt, lässt es sich hervorragend in der Diagnostik des Prostatakarzinoms einsetzen“, erläutert Grünwald. Hierfür wird dem Patienten zunächst die radioaktive Wirkstoff-Kombination gespritzt, um deren Verteilung im Körper anschließend mit einer PET/CT-Untersuchung darzustellen. Ergebnis: Im Ganzkörper-Scan treten deutlich die Areale hervor, in denen sich der Wirkstoff anreichert – ein Hinweis darauf, dass sich Metastasen gebildet haben.

Einige neue Studien zeigen, dass PSMA auch in manchen Tumoren, die nicht auf Prostatazellen zurückgehen, gebildet wird. So konnten Düsseldorfer Mediziner aktuell demonstrieren, dass sich mit einer Gallium-68-PSMA-unterstützten PET/CT-Untersuchung auch Metastasen eines Nierenzellkarzinoms im Körper sichtbar machen lassen. Wie die Mediziner berichten, wurden lediglich Lungenmetastasen, deren Durchmesser unter einem Zentimeter lag, nicht erfasst. Dennoch halten die Autoren die Methode für sehr vielversprechend, um die Suche nach Tumorabsiedlungen im ganzen Körper zu unterstützen.

Gekoppelt mit einem am Wirkort stärker strahlenden Element wie Lutetium-177 oder Actinium-225 lassen sich Substanzen, die PSMA aufspüren, auch zur Behandlung einsetzen. „Mittlerweile konnten wir hier in Frankfurt bei zahlreichen Patienten überraschende Erfolge erzielen“, sagt Grünwald. In einer Pilotstudie am Universitätsklinikum Heidelberg haben Mediziner begonnen, Prostatakrebs-Patienten mit Actinium-225-PSMA-617 zu behandeln. Durch die Verbindung mit dem „Whistleblower“ PSMA gelangt der neuartige Wirkstoff mitsamt seiner Strahlenquelle in unmittelbare Nähe zu den Tumorzellen und kann diese gezielt zerstören.

Die ersten Ergebnisse dieser Therapie seien sehr vielversprechend, so Grünwald. Bei zwei Patienten, von denen die Heidelberger Mediziner vorab berichten, ließen sich der ursprüngliche Krebsherd sowie Metastasen im PET/CT-Scan nicht mehr nachweisen. Auch Tumormarker im Blut seien unter die Nachweisgrenze gesunken. In weiteren Studien soll nun getestet werden, ob die Methode anderen Therapien auch langfristig überlegen ist. Für BDN-Experte Frank Grünwald steht eines jedoch bereits jetzt fest: „Maßgeschneiderte Wirkstoffe, die sich an PSMA anlagern, sind aus der nuklearmedizinischen Diagnostik und Therapie des Prostatakarzinoms nicht mehr wegzudenken.“

( Gefunden auf: Biermann Medizin v. Dienstag, 23. August 2016 / http://www.biermann-medizin.de/fachbereiche/urologie/medizin-forschung/krebs-whistleblower-prostata )