Urintest soll aggressive Prostatakarzinome erkennen

Begutachtung der Prostata am Bildschirm /RFBSIP, stockadobecom
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Norwich/England – Mit der Untersuchung von RNA-Molekülen, die nach einer digitalen rektalen Untersuchung mit dem Urin ausgeschieden werden, haben Forscher in einer Pilotstudie aggressive Prostatakarzinome entdeckt, die eine Therapie erforderlich machen. Der in BJU International vorgestellte Test könnte die schmerzhaften Biopsien ersetzen (2019; doi: 10.1111/bju.14811).
Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom wird heute nicht immer sofort zu einer Behandlung geraten. Bei wenig aggressiven Tumoren kann eine abwartende Haltung mit regelmäßigen Kontrollen vorteilhaft sein, weil sie den Männern die Impotenz oder Inkontinenz erspart, zu denen es häufig nach Operation oder Radiotherapie kommt.

Das weitere Vorgehen wird heute von Tumorstadium, PSA-Wert und den histologischen Kennzeichen abhängig gemacht (D’Amico-Score). Die histologische Untersuchung macht eine schmerzhafte Biopsie der Prostata erforderlich. Deren Aussagekraft wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass der Krebs häufig multifokal ist und die Stanzen nicht immer repräsentativ für das Krebswachstum sind.
Verschiedene Gruppen untersuchen derzeit, ob eine Urinuntersuchung eine Alternative zur Biopsie bieten kann. Bei der digitalen rektalen Untersuchung gelangen extrazelluläre Vesikel in die Harnwege, die auch Boten-RNA des Tumors enthalten können. Da Krebs­zellen andere Gene aktivieren als normale Prostatazellen, unterscheidet sich auch die „genetische Signatur“ im Urin.
Genetische Signaturen im Urin sagen Risiko vorher
Ein Team um Shea Connell von der University of East Anglia in Norwich hat zunächst an 177 Krebspatienten und gesunden Männern nach genetischen Signaturen gesucht, die die Aggressivität des Tumors ebenso gut anzeigen wie der D’Amico-Score. Die Vorher­sage von Tumoren mit einem intermediären oder hohen Risiko gelang einigermaßen (AUC-Wert von 0,77 in der ROC-Kurve, ein Wert von 1 ist eine sichere Diagnose, ein Wert 0,5 ein Zufallswert).

Bei den Patienten, die sich zunächst gegen eine Behandlung und für eine abwartende Haltung entschieden hatten, zeigte ein ungünstiger PUR4 („prostate urine risk“) häufig eine rasche Progression des Tumors an. Das drohende Fortschreiten wurde dabei um bis zu 5 Jahre früher entdeckt als mit den klinischen Standardmethoden, berichten die Forscher. Mit dem Test konnten darüber hinaus Männer identifiziert werden, die ein 8-fach höheres Risiko auf eine Behandlung innerhalb der nächsten 5 Jahre hatten.
Wenn sich die Ergebnisse in der Nachfolgestudie bestätigen sollten, könnte in Zukunft bei vielen Patienten, die sich für eine abwartende Haltung entscheiden, zunächst ganz auf eine Biopsie verzichtet werden, so die Autoren. Durch regelmäßige Urintests, in Zusammenhang mit dem PSA-Test, könnte dann der geeignete Moment für Operation oder Radiotherapie gefunden werden. © rme/aerzteblatt.de