BPS begrüßt G-BA Beschluss zu Enzalutamid als Erstlinientherapie

Im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) haben die Patientenvertreter des Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e. V (BPS) nur Beratungs- und kein Stimmrecht. Ihre Position richtet sich nach der Datenlage bzw. erwiesenem patientenrelevanten Nutzen. Der BPS unterstützt den nachstehenden G-BA Beschluss vom 18.06.2015. Der Patientenvertreter des BPS hatte nicht unerheblichen Anteil am Zustandekommen des folgenden Passus in den tragenden Gründen des Beschlusses. Damit wird eine wiederholte Nutzenbewertung von Enzalutamid zwecks Patientensicherheit bei veränderter Datenlage ausdrücklich offen gehalten.

„Angesichts der Zulassung mehrerer neuer Therapieoptionen in den letzten 3 Jahren in der Indikation Prostatakarzinom für verschiedene Therapiesituationen und Krankheitsstadien wird der G-BA die Entwicklung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse in dieser Indikation weiter beobachten. Die Weiterentwicklung der medizinischen Erkenntnisse im Anwendungsgebiet kann Auswirkungen auf die Bestimmung der zweckmäßigen Vergleichstherapie zur Folge haben; dies kann auch die Behandlung von Patientengruppen mit speziellen Erkrankungsmerkmalen betreffen. Der G-BA kann gemäß 5. Kapitel § 13 der Verfahrensordnung bei Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse gegebenenfalls eine erneute Nutzenbewertung von Enzalutamid veranlassen.“
Die Gründe dafür ergeben sich u.a. aus dem frühen Abbruch der Zulassungsstudie, sodass z.B. auf verlässliche Ergebnisse zu Wechselwirkungen mit Folgetherapien verzichtet werden muss. Aus dem Wortprotokoll der Anhörung.
„Ehrmann [Patientenvertreter des BPS]: … Welchen Einfluss haben die Folgetherapien? Es herrscht auf Seiten der Patienten eine große Unsicherheit, mit welchem Medikament sie anfangen sollen, weil sie Angst haben, dass Kreuzresistenzen auftreten. Darauf erwarten wir dringend Antworten. …
Prof. Dr. Ludwig (Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: … Ich finde, die Fragen [des Patientenvertreters des BPS] berühren das, was wirklich patientenrelevant ist, und legen den Finger genau in die Wunde, die darin besteht, welche Erkenntnisse wir derzeit eigentlich nicht haben.
• Erstens betrifft das die Sequenz der Therapie; das wissen wir derzeit nicht, aber es ist, glaube ich, für die Patienten extrem wichtig.
• Zweitens… Wir würden in dieser Situation schon gerne validierte, prospektiv untersuchte Biomarker haben, um die 10 bis 15 Prozent an Patienten frühzeitig zu erkennen, die auf Enzalutamid nicht ansprechen. Wir kennen derzeit Splicing-Varianten, Mutationen, die das wahrscheinlich vermitteln. Das sind aber alles retrospektive Analysen an kleinen Patientenzahlen. Wenn ein Hersteller mit einem bahnbrechenden onkologischen Wirkstoff auf den Markt kommt, egal ob nun mit Enzalutamid oder einem anderen, und er kann nur eine geringe Verlängerung des Overall Survivals zeigen, dann sollten wir wirklich verlangen, dass gleichzeitig auch vernünftig untersuchte Biomarker mitpräsentiert werden, sodass wir Patienten diese Therapie dann auch frühzeitig ersparen können. Es gibt erste, sehr interessante Publikationen zu den Splicing-Varianten, … aber ich glaube, wir können diese Befunde derzeit nicht zur Grundlage unserer Entscheidungen im klinischen Alltag machen und können deshalb derzeit auch unsere Patienten in dieser Situation nicht gut beraten.

G-BA-Beschluss zu Enzalutamid als Erstlinientherapie: Hinweis auf beträchtlichen Zusatznutzen
Der Gemeinsamen Bundesausschuss ermöglicht die Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen für Enzalutamid (Handelsname „Xtandi“, Antiandrogen 2. Generation) als Erstlinientherapie mit dieser Einstufung:
„Ausmaß und Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens gegenüber dem abwartenden Vorgehen unter Beibehaltung der bestehenden konventionellen Androgendeprivation: Hinweis auf einen beträchtlichen Zusatznutzen.“
Ein Zusatznutzen im direkten Vergleich zu Abirateron oder Docetaxel ist jedoch nicht belegt bzw. bleibt unbeantwortet, da der pharmazeutische Unternehmer sie nicht als zweckmäßige Vergleichstherapie auswählte.
Damit steht jetzt auch für die Erstlinientherapie des nicht- oder gering symptomatischen kastrationsresistenten metastasierten Prostatakarzinoms bei Patienten, für die Abwarten unter fortgesetzter Androgenentzugstherapie nicht in Frage kommt, als weiteres Medikament Enzalutamid (Xtandi) als Kassenleistung zur Verfügung neben Abirateron (Zytiga), Docetaxel und ehemals Sipuleucel-T (Provenge). Denn die Immuntherapie Sipuleucel-T ist inzwischen vom pharmazeutischen Unternehmer ohne Begründung vom europäischen Markt genommen worden.

Der G-BA hatte bereits in einem früheren Beschluss für Enzalutamid als Zweitlinientherapie nach Docetaxel-Chemotherapie einen Zusatznutzen anerkannt.6
Weitere Aussagen des G-BA-Beschlusses:
„Die Einleitung und Überwachung der Behandlung mit Enzalutamid soll nur durch in der Therapie von Patienten mit Prostatakarzinom erfahrene Fachärzte für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie sowie Fachärzte für Urologie und weitere an der Onkologie-Vereinbarung teilnehmende Ärzte anderer Fachgruppen erfolgen. … Eine medikamentöse Kastration mit einem LHRH-Analogon soll während der Behandlung
von Patienten, die nicht chirurgisch kastriert sind, fortgeführt werden.“

Aus den tragenden Gründen:
„Gesamtbewertung …
Gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie handelt es sich gemäß § 5 Abs. 7 i.V.m. § 2 Abs. 3 AM-NutzenV um eine bisher nicht erreichte deutliche Verbesserung des therapierelevanten Nutzens, da
• eine moderate Verlängerung des Gesamtüberlebens,
• eine Abschwächung schwerwiegender Symptome hinsichtlich skelettbezogener Komplikationen und krankheitsbedingter Schmerzen,
• eine bedeutsame Vermeidung von Nebenwirkungen und zudem
• eine verzögerte Verschlechterung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität erreicht wird.“

Zu Mortalität / Gesamtüberleben:
„Für den ko-primären Endpunkt Gesamtüberleben wurde zur primären Analyse (Datenschnitt vom 16.09.2013) bei einer absoluten Differenz von median 2,2 Monaten ein signifikanter Unterschied zugunsten von Enzalutamid festgestellt.“
Zu Nebenwirkungen:
„Den positiven Ergebnissen steht ein statistisch signifikanter Nachteil von Enzalutamid hinsichtlich der nicht schwerwiegenden Nebenwirkung „Hitzewallungen“ gegenüber.“
Keine patientenrelevanten Nutzenbelege lagen u.a. vor für:
• Allgemeine Gesundheitszustand (EQ-5D Fragebogen) … [Es] sind keine validen Aussagen aus den Studienergebnissen ableitbar.
• Radiografisches progressionsfreies Überleben (rPFS) … [unreife Daten]
• Zeit bis zum Beginn einer zytotoxischen Chemotherapie … Als Surrogatparameter für das Auftreten von Nebenwirkungen und die Verschlechterung der Lebensqualität ist der Endpunkt nicht validiert und somit nicht relevant für die vorliegende Nutzenbewertung.“

Grenzen:
„In der Gesamtbetrachtung der vorliegenden Ergebnisse zur Mortalität, der Morbidität und Lebensqualität und der Ergebnisse zu den Nebenwirkungen ergibt sich für Enzalutamid jedoch
• keine nachhaltige und gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie bisher nicht erreichte große Verbesserung des therapierelevanten Nutzens, insbesondere
• keine Heilung der Erkrankung,
• keine erhebliche Verlängerung der Lebensdauer,
• keine langfristige Freiheit von schweren Symptomen und
• keine weitgehende Vermeidung schwerwiegender Nebenwirkungen.
Deshalb ist eine Einstufung als erheblicher Zusatznutzen nicht gerechtfertigt.“