Radikale Prostatektomie verschlimmert langfristig Inkontinenz, aber nicht die sexuelle Funktion

/SciePro, stock.adobe.com

Nashville – Welche funktionellen Outcomes Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom langfristig erwarten, hängt von der Behandlung ab. Eine radikale Prostatektomie etwa hat auch nach 10 Jahren noch eine schlech­tere Harnkontinenz zur Folge, aber keinen Effekt auf die sexuelle Funktion, wie eine in JAMA veröffentlichte Registerstudie aus den USA zeigt (2024; DOI: 10.1001/jama.2023.26491).

„Die meisten Männer überleben nach der Diagnose eines lokalisierten Prostatakarzinoms mindestens 15 Jahre. Die Assoziationen der verschiedenen Behandlungsoptionen mit den funktionellen Outcomes über einen langen Zeitraum zu verstehen, kann bei der Therapieentscheidung helfen“, schreiben die Autoren um Bashir Al Hussein Al Awamlh vom Department of Urology am Vanderbilt University Medical Center in Nashville.

Für die Studie wurden Daten aus 5 Registern des US-amerikanischen Surveillance, Epidemiology, and End Results (SEER)-Programm verwendet. Die eingeschlossenen Patienten waren zwischen 2011 und 2012 wegen einem lokalen Prostatakarzinom behandelt worden.

Zu Beginn hatten 1.877 von ihnen ein Prostatakarzinom mit günstiger Prognose (cT1-cT2bN0M0, PSA < 20 ng/ml, Grad 1-2) und 568 ein Prostatakarzinom mit ungünstiger Prognose (cT2cN0M0, PSA = 20-50 ng/ml, Grad 3-5).

Funktionelle Outcomes basieren auf Patientenangaben

Follow-up-Daten wurden bis Februar 2022 per Fragebogen erhoben. Die Patienten machten mittels des 26-item Expanded Prostate Cancer Index Composite (EPIC-26) Angaben zu sexueller Funktion, Harninkontinenz, Schmer­zen beim Wasserlassen, Darm- und Hormonfunktion. Die EPIC-26-Skala reicht von 0-100, wobei ein Punktwert von 100 den bestmöglichen Wert darstellt.

Um als klinisch relevant eingestuft zu werden, musste sich die sexuelle Funktion um mindestens 10-12 Punkte, die Harninkontinenz um mindestens 6-9 Punkte, die Schmerzen beim Wasserlassen um mindestens 5-7 Punkte und die Darm- sowie Hormonfunktion um mindestens 4-6 Punkte auf der EPIOC-26-Skala verändern.

Die Patienten mit günstiger Prognose waren mit radikaler Prostatektomie (n=1043), perkutaner Bestrahlung (n=359), Brachytherapie (n=96) oder aktiver Überwachung (n=379) behandelt worden. Bei ungünstiger Prognose hatten sie eine radikale Prostatektomie (n=362) oder eine perkutane Bestrahlung mit Androgendeprivations­therapie (ADT; n=206) bekommen.

Harninkontinenz ist noch über Jahre ein Problem

Insgesamt wurden 2.445 Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom eingeschlossen und nachbeobachtet, median 9,5 Jahre. Bei den 1.877 Patienten mit günstiger Prognose war die radikale Prostatektomie im Vergleich zur aktiven Überwachung mit einer stärkeren Harninkontinenz (-12,1; 95-%-Konfidenzintervall [KI] -16,2 bis -8,0), aber nicht mit einer schlechteren sexuellen Funktion (-7,2; 95-%-KI -12,3 bis -2,0) assoziiert.

Vergleichbares zeigte sich bei den 568 Patienten mit ungünstiger Prognose: Die radikale Prostatektomie verschlechterte die Harnkontinenz (-26,6; 95-%-KI -35,0 bis -18,2), aber nicht die sexuelle Funktion (-1,4; 95-%-KI -11,1 bis 8,3) – im Vergleich zur perkutanen Bestrahlung mit ADT.

Auch Bestrahlung und ADT wirken sich langfristig aus

Die perkutane Bestrahlung mit ADT war bei den Patienten mit ungünstiger Prognose – im Vergleich zur radikalen Prostatektomie – mit einer schlechteren Darm- (-4,9; 95-%-KI -9,2 bis -0,7) sowie Hormonfunktion (-4,9; 95-%-KI -9,5 bis -0,3) assoziiert.

Die Autoren fassen zusammen, dass Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom, bei denen eine radikale Prostatektomie durchgeführt werde, noch über 10 Jahre eine stärkere Harninkontinenz, aber keine schlechtere sexuelle Funktion aufwiesen als diejenigen, die eine Bestrahlung erhalten oder aktiv überwacht würden. Eine perkutane Bestrahlung mit ADT sei dagegen bei Patienten mit ungünstiger Prognose mit einer schlechteren Darm- und Hormonfunktion verbunden als eine radikale Prostatektomie. © nec/aerzteblatt.de